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Eignung der unterschiedlichen Rassen und Zuchtlinien
Araber ist nicht gleich Araber. Neben den reinen Vollblutarabern gibt es
Shagya Araber, Anglo-Araber und Arabische Partbreds, wozu u.a. Quarabs,
Araappaloosas und Pintabians zählen. Die Bezeichnung „Araber“ ist
lediglich ein Überbegriff für die verschiedenen Rassen und ihren Kreuzungen
mit einem arabischen Vollblutanteil. Das führt zwar zu einer begriffl ichen
Verallgemeinerung, der Araber an sich ist aber extrem vielschichtig,
so dass nicht jedes Individuum der entsprechenden Rasse oder Zuchtlinie
gleich gut für das Westernreiten geeignet ist.
Im Anglo-Araber sind englische Vollblutanteile, selten auch geringe
Warmblut-Anteile eingekreuzt. Er stellt seine Stärken deutlich – sowohl
als Reitpferd aber auch als Veredler – im Spring-, Military- oder Dressursport
unter Beweis. Aufgrund des Warmblutähnlichen Typs und des deutlich
größeren Rahmens wird diese Rasse eher selten im Westernsport zu
sehen sein.
Am Shagya-Araber ist glücklicherweise der Hype um die Arabische des
arabischen Schaupferdepoints bisher weitestgehend vorbei gegangen.
Die seit Jahrhunderten als Kriegs-, Fahr- oder Reitpferd gezüchtete Rasse
hat ihre Wurzeln in Ungarn. Da diese Rasse schon immer ein echtes
Gebrauchspferd war, besitzt sie gute Reitpferdeeigenschaften und in der
Regel einen ausgeglichenen Charakter. Meist hat der Shagya mehr Fundament,
Größe und auch Rahmen als der Vollblut-Araber und wirkt im
Großen und Ganzen weniger zierlich.
Der Shagya eignet sich durch seinen kompakten und runden Körperbau
sowie seine mentale Stärke gut zum Westernreiten, lediglich das bei einigen
Exemplaren recht hohe Stockmaß um ca. 1,60 m kann den Einsatz
einschränken. Aber auch in dieser Zucht gibt es Defi zite. So wurde das
Stutbuch für die Einkreuzung von Vollblut-Arabern geöffnet wurde.
Die Arabischen Partbreds Quarab, Pintabian und Araappaloosa eignen
sich – bei sehr sorgfältiger Auswahl der Elterntiere – i.d.R. sehr gut
zum Westernreiten. Allerdings muss klar gesagt werden, dass nicht alle
Quarter und Araber dazu geeignet sind, wünschenswerte Kreuzungsprodukte
zu produzieren. Es erfordert sehr viel züchterisches Geschick, die
von beiden Elternteilen positiven Eigenschaften zu verstärken und nicht
die Mängel weiter zugeben. Ein muskelbepackter Quarab mit feinem arabischen
Fundament, dünnem Hälschen und schlechten Proportionen kann
und sollte nicht das Zuchtziel sein.
Bei den Araappaloosas ebenso wie bei den Pintabians gilt dasselbe, zudem
sollte außerdem, wie leider oft zu beobachten, nicht die Farbe im
Vordergrund stehen.
Eine außergewöhnliche Scheckung sollte lediglich
das i-Tüpfelchen einer erfolgreichen Zucht
sein. Wählt man die Elterntiere aber geschickt
aus, erhält man eine sehr gute Mischung aus
athletischem, quadratischem und intelligenten
Sportpferd, überzogen mit arabischem Zuckerguss.
Bei den in Europa gezogenen Vollblutarabern
unterscheidet man in verschiedene Blutlinien,
bezogen auf ihr Ursprungsland. Um es vorweg
zu nehmen: es gibt kein allgemeines Patentrezept,
bei dem man davon ausgehen kann, dass
grade Vertreter aus diesen Zuchtlinien im Westernsport
erfolgreich sind. Es gibt jedoch eine
Tendenz zu diversen Linien. Ausnahmen bestätigen
aber auch hier – wie immer im Leben
– die Regel. Zudem kommt es heute durch die
Globalisierung und Möglichkeit von TG-Sperma
zu einer Vermischung der einzelnen Zuchtlinien,
was noch vor gut 50 Jahren durch die Entfernung
der entsprechenden Zuchtländer schier
unmöglich war.
Und leider geht auch die Vollblutaraberzucht
mit der Mode, so dass Modehengste – aufgrund
des viel versprechenden Namens – in „fremden“
Zuchtrichtungen eingesetzt werden und
sich die Linien immer mehr vermischen und angleichen.
Ehemals auf Leistung gezüchtete Pferde
wurden in den letzten Jahren zu Schaupferden
umgepolt, sodass man auch hier nicht mehr
vom eigentlichen Zuchtziel „Ausdauer, Härte
und Leistungsbereitschaft“ ausgehen kann.
Gehen wir aber zurück zu den ursprünglichen
Linien und versuchen den Modewandel der
letzten Jahre auszublenden, um einige Tendenzen
herauszuarbeiten.
Die recht kräftigen russischen Vollblut-Araber
gelten in der Regel als athletisch. Sie besitzen
trockene Beine mit harten Gelenken. Im russischen
Staatsgestüt Tersk wurden Leistungsfähigkeit
und Härte aller Elterntiere auf der Rennbahn
erprobt. Als Nachteil kann der Typverlust
im Alter angesehen werden. Durch Kriegswirren
fi nden sich in den russischen Linien häufi g auch
ursprünglich polnische Linien wieder. Erfolgreiche
russische Vertreter und Vererber im Westernsport
sind Balaton, Muscat und Padron.
Die polnischen Linien der Vollblutaraber sind
oft sehr typvoll, leistungsstark und leistungswillig,
athletisch, ebenfalls rennleistungsgeprüft,
haben lange und feine Hälse und gute Bewegungen.
Oft besitzen sie etwas lange Rücken
und eine nicht ganz so schräge Schulter. Erfolgreiche
Westernpferde sind Bask, Witez II und
Aladdinn. Der berühmte Xenophonn (der „Doc
Bar“ der Araber) stammt von Witez II ab.
Die ägyptischen Linien sind sehr typvoll, wurden
bis 1972 ebenfalls rennleistungsgeprüft,
sind aber meist etwas kleiner und feingliedriger
als die Russen und Polen. Sie sind etwas hibbeliger
(„elektrischer“) als andere Zuchtrichtungen
und entsprechen daher oft nicht ganz dem
Ideal eines Westernpferdes. Aber auch hier gibt
es erfreulicherweise Ausnahmen wie z.B. Moraf.
Erwähnt werden sollte, dass Herr Babson reine
ägyptische Leistungslinien züchtete, die streng
auf drei Eckpfeilern aufgebaut war: Fundament,
Rittigkeit, Charakter. Diese Eigenschaften sind
heute noch merkbar, daher sollte man Pferde
aus diesen Linien favorisieren.
In England entstanden die Crabbet-Linien,
die eine gute Halsung, gute Schultern, kräftige
Hinterhand und starke Beine besitzen. Oft sind
die Rücken zu lang, zudem besitzen sie recht
wenig arabischen Typ. Heutzutage fl ießt in vielen
russischen und polnischen Vollblutarabern
Crabbet-Blut, rein gezogene Crabbets werden
immer seltener.
Die spanischen Linien sind ebenfalls recht
kräftig und haben gute Proportionen in Bezug
auf Breite und Form. Sie besitzen zudem große
und dunkle Augen. Die Hälse neigen zum
Dickwerden. Die Hinterhand hat gerne hohe
Hüftknochen, schwache Sprunggelenke und ist
in Teilen zu fl eischig. Häufi g ähneln die spanischen
Araber heute den PREs, nicht nur optisch,
sondern auch gangtechnisch, solche Pferde sind
fürs Westernreiten daher weniger geeignet.
Außerdem gibt es noch Weil-Marbacher-Linien,
tunesische und französische Vollblut-Araber,
Outcross-Linien und andere, deren Population
aber in unseren Breiten so gering ist, dass– auf
das Westernreiten bezogen – keine Verallgemeinerungen
getroffen werden können.
Auch die amerikanischen Linien sind schwer
zu fassen, sind es doch keine wirklich reinen
Linien, sondern ein bunter Mix aus den europäischen
und afrikanischen Zuchtrichtungen.
Très Chic
In punkto Kaufentscheidung wird bei vielen
Araber-Interessierten sicher auch die Optik mit
einfl ießen. Der Araber ist nicht nur ein leistungsstarkes
Pferd, sondern auch optisch sehr
ansprechend. Der feine Kopf, die seidige Mähne
und der athletische Körperbau gepaart mit seiner
Eleganz und seinem Ausdruck lassen einen
gut gerittenen Araber unter dem Westernsattel
besonders auf Turnieren zu einem echten Hingucker
werden.
Turniere mit Arabern
Was in Amerika und Australien gang und gäbe
ist, steckt hierzulande noch ein wenig in den
Kinderschuhen. Vollblutaraber werden, wie
die „normalen“ Westernpferderassen, z.B. in
Pleasure-, Reining- und sogar Cuttinglinien unterteilt
und extra für diese Disziplinen gezüchtet.
Erfreulicher Weise müssen sich die amerikanischen
Araber sogar erst über Reitklassen
qualifi zieren, um an Schauklassen teilnehmen
zu können. Ein Umstand, der auch hier in Europa
wünschenswert wäre.
Der Arabermarkt in den USA ist im Vergleich zu
Europa gigantisch. Showbits, Halfter, Kopfstücke
und Blankets werden extra in der Größe „Arabian“
hergestellt. Wer einmal hunderte von gut
gerittenen Vollblutarabern in unterschiedlichsten
Reitweisen bewundern möchte, sollte eine
Reise nach Scottsdale/Arizona unternehmen.
Dort versammeln sich jedes Jahr die besten Vollblut-
Araber aus den USA, um sich unter Gleichgesinnten
auf höchstem Niveau zu messen.
Auch in Deutschland gibt es viele Möglichkeiten
mit seinem Araber auf Turnieren zu starten.
Erste Adresse in Deutschland ist hier die EWU
als rasseoffener Verband der Westernreiter, die
in ganz Deutschland Turniere anbietet, die für
Pferde jeder Rasse ausgeschrieben sind. Auf einigen
Turnieren werden sogar spezielle Araberklassen
ausgeschrieben, was gerade Anfängern
einen Turniereinstieg deutlich erleichtert.
Ab und zu sind auch bei den Westernpferde-
Zuchtverbänden rasseoffenen Klassen ausgeschrieben.
Möchte man seinen Schwerpunkt
auf Reining setzen, so kann man auch bei der
NRHA starten. Die Interessengemeinschaft
GAWA (German Arabian Westernhorse Association)
fördert den Westerngerittenen Araber und
steht interessierten Araberbesitzern – egal ob
Freizeit- oder Turnierreiter – jederzeit für Fragen
oder Anregungen zur Verfügung. Zudem veranstaltet
sie einmal im Jahr ein Symposium in
Rieden/Kreuth. Turnierreiter können außerdem
verbandsübergreifend am GAWA-Cup teilnehmen
und Turnierergebnisse werten lassen.
Echte Allrounder
Der Araber ist sicherlich – was das Westernreiten
anbelangt – kein Spezialist. Kaum eine
Rasse der Welt ist so vielseitig wie der Araber,
was sich natürlich auch in der Eignung in den
Westerndisziplinen wiederspiegelt. Realistisch
betrachtet wird er wohl niemals ein exzellentes
Pleasurepferd oder ein Top-Reiner werden, aber
das werden 90% aller anderen Pferde der typischen
Westernrassen auch nicht. Das arabische
Pferd ist eher im Allround-Bereich bis zum mittelschweren
Leistungsniveau anzusiedeln.
Gerade in den hohen Klassen in den Disziplinen
wie Trail, Horsemanship und Westernriding
kann der Araber weit vorne mitlaufen. Hier ist
Köpfchen und Feingefühl gefragt, hier holt der
Araber Schleifen. Wer die Abwechslung sucht,
ist mit einem arabischen Allrounder sicherlich
sehr gut bedient und durchaus konkurrenzfähig.
Aber auch jenseits des Abreiteplatzes sind Araber
tolle Reitpferde. Reiter, die das Westernreiten
nicht favorisieren, können im Araber einen
guten Freizeitpartner fi nden. Die Paradedisziplin
des Arabers ist natürlich das Distanzreiten, wofür
die Eignung als zuverlässiges und rittiges
Geländepferd Grundvoraussetzung ist. Aber
auch in der englischen Dressur hat der Araber
Begabung, und das Springtalent mancher
Reitponys kommt nicht selten aus dem Anteil
Araberblut, den sie in sich tragen. Unter den
Arabern gibt es ebenso erfolgreiche Rennpferde
wie solche, die als Therapiepferde eingesetzt
werden.
Schauen Sie beim nächsten Turnier- oder Stallbesuch
einmal genauer hin. Gute Westernaraber
sind vielleicht näher, als Sie bislang glaubten.
Quelle:
Cassandra Mrotzeck für westernreiter (EWU)
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Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht. Zum
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